Einleitung
(1) Nachdem unsere Kommission unsere Auffassung vom Geheimnis der Kirche als Glaubens- und Sakramentengemeinschaft zum Ausdruck gebracht hat, die sich in hervorragender Weise in der Feier der Eucharistie darstellt, gehen wir jetzt die wichtige Frage nach dem Platz und der Rolle des geweihten Dienstamtes in der sakramentalen Struktur der Kirche an. Wir werden also vom Weihesakrament und von der Weihehandlung auf den drei Stufen des Bischofsamtes, des Priesteramtes und des Diakonamtes sprechen. Wir stützen uns auf die Gewissheit, dass die apostolische Sukzession in unseren Kirchen grundlegend ist für die Heiligung und die Einheit des Volkes Gottes.
(2) Unsere Kirchen versichern, dass das Dienstamt in der Kirche den Dienst Christi selbst gegenwärtig setzt. In den Schriften des Neuen Testamentes wird der Christus Apostel, Prophet, Hirt, Diener, Diakon, Lehrer, Priester und Bischof genannt. Unsere gemeinsame Überlieferung erkennt das enge Band an, welches zwischen dem Werk Christi und dem des Heiligen Geistes besteht.
(3) Dieses Verständnis verbietet es, den Christus im Heilsgeschehen vom Geist zu isolieren. Die Gegenwart Christi in seiner Kirche ist auch von eschatologischer Eigenart, weil der Geist das Unterpfand der vollkommenen Verwirklichung des Planes Gottes für die Welt darstellt.
(4) Unter diesem Blickwinkel erscheint die Kirche als die Gemeinde des neuen Bundes, die der Christus durch den Geist um sich versammelt und als seinen Leib aufbaut. Durch die Kirche ist der Christus in der Geschichte anwesend; durch sie verwirklicht er das Heil der Welt.
(5) Da der Christus in der Kirche anwesend ist, ist es sein eigener Heilsdienst, der sich in ihr vollzieht. Das Dienstamt in der Kirche ersetzt also keineswegs das des Christus selbst, es hat vielmehr in ihm seine Quelle. Da der von Christus gesendete Geist die Kirche lebendig macht, ist das Dienstamt nur fruchtbar durch die Gnade des Heiligen Geistes. Es umfasst in der Tat eine Vielzahl von Funktionen, welche die Glieder der Gemeinde ausüben entsprechend der Verschiedenheit der Gaben, die sie als Glieder des Leibes Christi empfangen. Einige von ihnen erhalten durch die Weihe – und üben dann aus – die besondere Funktion des Bischofsamtes, des Priesteramtes und des Diakonamtes. Es gibt keine Kirche ohne die vom Geist erweckten Ämter. Es gibt kein Amt ohne die Kirche, d. h. außerhalb und oberhalb der Gemeinschaft. Die Ämter finden ihren Sinn und ihre Existenzberechtigung nur in dieser.
I. Der Christus und der Heilige Geist
(6) Der Geist, der ewig vom Vater ausgeht und auf dem Sohn ruht, hat das Christusereignis vorbereitet und verwirklicht. Die Menschwerdung des Gottessohnes, sein Tod und seine Auferstehung wurden tatsächlich nach dem Willen des Vaters im Heiligen Geist vollbracht. Bei der Taufe eröffnet der Vater durch die Offenbarung des Geistes die Sendung des Sohnes. Dieser Geist ist bei seinem Dienst anwesend, nämlich die gute Nachricht vom Heil zu verkünden, die Ankunft des Reiches zu offenbaren, vom Vater Zeugnis zu geben. Ebenfalls in diesem selben Geist bringt der Christus als einziger Priester des neuen Bundes das Opfer seines eigenen Lebens dar, und in diesem Geist ist er verherrlicht.
(7) Seit Pfingsten können in der Kirche, die sein Leib ist, nur im Geist diejenigen, die mit dem Dienstamt beauftragt sind, die Handlungen vollziehen, die den Leib zu seiner vollen Größe führen. Im Dienst des Christus und in dem der Kirche wirkt ein und derselbe Geist, und er wird mit uns wirken alle Tage unseres Lebens.
(8) In der Kirche muss das Dienstamt im Blick auf die Heiligung des Volkes Gottes selbst in Heiligkeit lebendig vollzogen werden. Damit die ganze Kirche und insbesondere ihre geweihten Diener dazu beitragen können, „die Heiligen instand zu setzen, dass sie den Dienst, den Leib Christi aufzubauen, vollbringen können“, werden die verschiedenen Dienstleistungen durch vielfältige Gnadengaben möglich gemacht (Eph 4,11f.; vgl. 1 Kor 12,4-28; Röm 12,4-8).
(9) Dies ist das Neue am Dienstamt der Kirche: Der Christus, Diener Gottes für die Menschheit, ist im Geist in der Kirche, seinem Leib, von dem er nicht getrennt werden kann, gegenwärtig; denn er ist „der Erste aus einer großen Zahl von Brüdern“. Auf diese sakramentale Weise muss man das Wirken Christi in der Geschichte seit Pfingsten bis zur Parusie verstehen. Das Dienstamt der Kirche ist als solches sakramental.
(10) Deswegen ist die Gegenwart Christi in der Kirche auch eschatologisch. Dort, wo der Geist wirkt, offenbart er tatsächlich der Welt die Gegenwart des Reiches in der Schöpfung. Darin ist das kirchliche Dienstamt verwurzelt.
(11) Das kirchliche Dienstamt ist sakramentaler Art. Mit dem Wort „sakramental“ soll hier unterstrichen werden, dass jegliches Dienstamt an die eschatologische Wirklichkeit des Reiches gebunden ist. Die Gnade des Heiligen Geistes als Unterpfand der künftigen Welt entspringt aus Tod und Auferstehung Christi und wird in sakramentaler Weise mittels sinnenhafter Wirklichkeit verliehen. Das Wort „sakramental“ zeigt auch, dass der Amtsträger Glied der Gemeinde ist, die der Heilige Geist mit Funktionen und besonderen Vollmachten ausstattet, um sie zu versammeln und um im Namen Christi den Handlungen vorzustehen, in welchen sie die Heilsgeheimnisse feiert. Diese Sicht der Sakramentalität des Dienstamtes wurzelt in der Tatsache, dass der Christus in der Kirche durch den Geist gegenwärtig gemacht wird, den er selbst der Kirche gesendet hat.
(12) Die Eigenart des kirchlichen Dienstamtes zeigt sich außerdem darin, dass alle Dienstämter der Welt dienen sollen, um sie zu ihrem wirklichen Ziel, dem Gottesreich, zu führen. Indem das Dienstamt der Kirche die eschatologische Gemeinde als Leib Christi erstellt, antwortet sie auf die Bedürfnisse der Welt.
(13) Die im Geist um den Christus versammelte Gemeinde, die ihren Dienst ausübt, hat ihre Grundlage in dem Christus, der selbst der Eckstein ist, und in der Gemeinschaft der Zwölf. In diesem Licht ist zu verstehen, dass die Kirchen und ihr Dienstamt apostolisch genannt werden.
(14) Die Zwölf sind einerseits die Zeugen des geschichtlichen Lebens Jesu, seines Dienstes und seiner Auferstehung. Andererseits verbinden sie, da sie nun um den verherrlichten Christus geschart sind, jede Gemeinde mit der Gemeinde der letzten Zeiten. Das kirchliche Dienstamt wird also apostolisch genannt, weil es in Kontinuität und in Verbindung mit all dem ausgeübt wird, was durch den Christus geschenkt und in der Geschichte durch die Apostel vermittelt ist. Aber es ist auch apostolisch, weil die Eucharistieversammlung, in welcher der Amtsträger den Vorsitz hat, eine Vorwegnahme der endzeitlichen Gemeinschaft mit dem Christus ist. Durch diese doppelte Beziehung bleibt das Dienstamt der Kirche ständig an das der Zwölf und durch dieses an das des Christus selbst gebunden.
II. Das Priestertum im Heilsgeschehen
(15) Das ganze göttliche Heilshandeln gipfelt in der Menschwerdung des Sohnes, in seiner Verkündigung, seinem Leiden, seiner glorreichen Auferstehung, seiner Himmelfahrt und seiner Wiederkunft. Der Christus wirkt im Heiligen Geist. So ist ein für allemal die Wiederherstellung der Gemeinschaft des Menschen mit Gott begründet.
(16) Nach dem Hebräerbrief ist der Christus durch seinen Tod zum einzigen Mittler des neuen Bundes geworden (Hebr 9,15); und weil er ein für allemal mit seinem eigenen Blut in das Allerheiligste eingegangen ist, ist er auf immer im Himmel der einzige und ewige Hohepriester dieses neuen Bundes, „um nun für uns vor dem Angesicht Gottes zu erscheinen“ (Hebr 9,24) und sein Opfer darzubringen (Hebr 10,12).
(17) Unsichtbar in der Kirche anwesend durch den Heiligen Geist, den er gesendet hat, ist der Christus also der einzige Hohepriester. In ihm, der Priester und Opfer zugleich ist, bilden Hirten und Gläubige, alle zusammen, „ein auserwähltes Geschlecht, ein Reich, ein Priestertum, eine heilige Nation, ein Eigentumsvolk“ (1 Petr 2,9; vgl. Offb 5,10).
(18) Alle Glieder der Kirche nehmen als Glieder des Leibes Christi teil an seinem Priestertum und sind dazu berufen, „ein heiliges und lebendiges Gott dargebrachtes Opfer“ zu werden (Röm 12,1; vgl. 1 Petr 2,5). Als Haupt der Kirche hat der Christus die Zwölf aus dem Volk ausgewählt, mit Autorität und Vollmacht ausgestattet und sie mit der Gnade des Heiligen Geistes gestärkt, damit sie ihn gegenwärtig machen können. Das Wirken und die Sendung der Apostel werden in der Kirche von den Bischöfen mit den Priestern und den Diakonen, die ihnen beistehen, fortgesetzt. Die Bischöfe sind durch die Weihe zu Nachfolgern der Apostel geworden und leiten das Volk auf den Wegen des Heils.
(19) In den Zwölf, die um den verherrlichten Herrn versammelt sind, sehen wir die Gegenwart des Reiches, welches schon begonnen hat und ganz offenbar gemacht wird bei der Wiederkunft. Christus hat ihnen ja versprochen, dass sie auf zwölf Thronen sitzen werden, um mit dem Menschensohn die zwölf Stämme Israels zu richten (Mt 19,28).
(20) Insofern sie geschichtliche Zeugen dessen sind, was der Herr vollbracht hat, ist der Dienst der Zwölf einzigartig und unersetzbar. Was sie begründet haben, ist also ein für allemal begründet, und niemand kann in Zukunft aufbauen, wenn nicht auf dieser Grundlage (Eph 2,20; Offb 21,14).
(21) Aber die Apostel bleiben zugleich die Fundamente der Kirche in ihrer Fortdauer durch die Jahrhunderte, so dass die Sendung, die sie vom Herrn empfangen haben, immer sichtbar und wirksam bleibt, und zwar in der Erwartung der Wiederkunft des Herrn (vgl. Mt 18,18 und schon 16,19).
(22) Deswegen ist die Kirche, in welcher die Gnade Gottes wirkt, selbst das Sakrament im Vollsinn, die vorweggenommene Offenbarung der letzten Wirklichkeiten, der Vorgeschmack des Reiches Gottes, der Herrlichkeit Gottes des Vaters, des Eschaton in der Geschichte.
(23) Im Schoß dieses Sakramentes, das die Kirche selbst ist, findet das Priestertum, welches durch die Weihe verliehen und zum Nutzen dieser Kirche gegeben wird, seinen Platz. Es stellt tatsächlich in der Kirche ein charismatisches Dienstamt (leitourgema) im Vollsinn dar. Es steht im Dienst des Lebens und des Fortbestandes der Kirche durch den Heiligen Geist, d. h. der in Christus gegebenen Einheit aller Gläubigen, der lebenden und der toten, der Märtyrer, der Heiligen und der Gerechten des Alten Bundes.
III. Das Dienstamt des Bischofs, des Priesters und des Diakons
(24) Bei der Eucharistiefeier ist die ganze Versammlung, jeder auf seinem Platz, „Liturge“ der koinonia, und sie ist dies nur im Geist. „Es gibt verschiedene Dienste, aber es ist derselbe Herr … Einem jeden ist die Offenbarung des Geistes im Blick auf das Wohl aller gegeben“ (1 Kor 12,5.7). Die verschiedenen Dienstämter fließen in der Eucharistiefeier zusammen, in deren Verlauf sie auch erteilt werden. Jedoch ist ihre Verschiedenheit auf den ganzen Umfang des Gemeindelebens ausgerichtet: Treue zum Wort Gottes, Ausharren in Eintracht und Bruderliebe, Zeugnis vor denen, „die draußen sind“, Wachsen in der Heiligkeit, Ausdauer im Gebet, Sorge für die Armen.
(25) Das Dienstamt des Bischofs gipfelt in der Feier der Eucharistie, in welcher die Einführung ins Christentum, durch die alle der eine Leib Christi werden, sich vollendet, und ist inmitten der Charismen und Dienste, die der Geist erweckt, ein Dienst des Vorsitzes für die Versammlung in Einheit. Tatsächlich hat die Ortskirche als Trägerin der verschiedenen Gaben des Geistes den Bischof in ihrer Mitte; die Gemeinschaft mit ihm verwirklicht die Einheit aller und verleiht der Fülle der Kirche Ausdruck.
(26) Diese Einheit der Ortskirche ist untrennbar von der Gesamtgemeinschaft der Kirchen. Es ist für eine Kirche wesentlich, mit den anderen in Gemeinschaft zu stehen. Diese Gemeinschaft zeigt und verwirklicht sich im Bischofskollegium. Durch seine Weihe wird der Bischof zum Amtsträger für eine Kirche bestellt, die er in der Gesamtgemeinschaft vertritt.
(27) Die Bischofsweihe, die nach den Kanones von wenigstens zwei oder drei Bischöfen verliehen wird, drückt die Gemeinschaft der Kirchen mit der des Gewählten aus; sie nimmt ihn auf in die Gemeinschaft der Bischöfe. In der Weihehandlung üben die Bischöfe ihre Funktion als Zeugen der Gemeinschaft im apostolischen Glauben und im sakramentalen Leben aus, nicht nur im Blick auf den, dem sie die Weihe erteilen, sondern auch im Blick auf die Kirche, deren Bischof er sein wird. Grundlegend für die Eingliederung des Neugewählten in die Bischofsgemeinschaft ist es, dass sie durch den verherrlichten Herrn in der Kraft des Heiligen Geistes geschieht, und zwar im Augenblick der Handauflegung. Wir betrachten hier die Weihe nur unter dem sakramentalen Blickwinkel. Die Fragen, die mit der Art und Weise der Wahl verbunden sind, werden später untersucht.
(28) Die Bischofsweihe verleiht dem, der sie empfängt, durch das Geschenk des Heiligen Geistes die Fülle des Priestertums. Bei der Weihe bringt die Konzelebration der Bischöfe die Einheit der Kirche und ihre Identität mit der Gemeinschaft der Apostel zum Ausdruck. Sie legen dem, der geweiht wird, die Hände auf und rufen den Heiligen Geist an, weil einzig sie befähigt sind, ihm das Bischofsamt zu übertragen. Sie tun dies jedoch innerhalb des Gebetes der Gemeinde.
(29) Durch seine Weihe erhält der Bischof alle Vollmachten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Die kanonischen Bedingungen der Ausübung der Funktion des Bischofs und seiner Einsetzung in die Ortskirche werden später von der Kommission erörtert werden.
(30) Die Gabe, die (bei der Weihe) verliehen wird, weiht den, der sie empfängt, in endgültiger Weise dem Dienst der Kirche. Dies ist ein Punkt der überlieferten Lehre im Osten und im Westen und wird dadurch bestätigt, dass im Fall von Disziplinarmaßnahmen gegen einen Bischof und einer kanonischen Wiedereinsetzung doch keine Wiederweihe erfolgte. In dieser Sache wie in allen wesentlichen Punkten, die die Weihe betreffen, haben unsere Kirchen eine gemeinsame Lehre und Praxis, selbst wenn die Bräuche bezüglich einiger rechtlicher und disziplinärer Forderungen, wie z.B. des Zölibats, aus pastoralen und spirituellen Gründen unterschiedlich sein können.
(31) Aber das kirchliche Dienstamt wird durch verschiedene Funktionen ausgeübt; diese vollziehen sich in gegenseitiger Abhängigkeit; keine könnte eine andere ersetzen. Dies gilt besonders für die grundlegenden Ämter des Bischofs, des Priesters und des Diakons und für die Funktionen der Laien, die alle zusammen der Eucharistiegemeinde ihre Gestalt geben.
(32) In der ganzen Geschichte unserer Kirchen haben die Frauen eine grundlegende Rolle gespielt; dies bezeugen nicht nur die heilige Gottesmutter, die heiligen Frauen, die im Neuen Testament erwähnt werden, und die zahlreichen Heiligen, die wir verehren, sondern auch viele andere Frauen, die bis heute der Kirche auf viele Weise gedient haben. Ihre eigenen Charismen sind sehr bedeutsam für die Erbauung des Leibes Christi. Aber unsere Kirchen bleiben der geschichtlichen und theologischen Überlieferung treu, indem sie nur Männer zum Priesteramt ordinieren.
(33) Wie die Apostel die ersten Gemeinden gesammelt haben, indem sie Christus verkündigten, die Eucharistie feierten, die Getauften zu einer wachsenden Gemeinschaft mit dem Christus und untereinander führten, so fährt der Bischof, der durch denselben Geist eingesetzt ist, fort, dasselbe Evangelium zu verkünden, derselben Eucharistiefeier vorzustehen, der Einheit und derselben Gemeinde zu dienen. Er ist so inmitten seiner Brüder Bild des dienenden Christus.
(34) Weil gerade in der Eucharistiefeier die Kirche sich in ganzer Fülle darstellt, erscheint auch im Vorsitz der Eucharistiefeier die Rolle des Bischofs und des Priesters in vollem Licht.
(35) Tatsächlich bringen die Gläubigen sich selbst mit dem Christus in der eucharistischen Feier als königliches Priestertum dar. Sie tun dies kraft des Handelns des Amtsträgers, welches den Christus in ihrer Mitte gegenwärtig macht, der das Wort verkündet, durch den Geist das Brot und den Wein in seinen Leib und sein Blut verwandelt, sie in sich eingliedert und ihnen sein Leben gibt. Darüber hinaus werden das Gebet und die Darbringung des Volkes, welches in Christus eingegliedert ist, gewissermaßen im Danksagungsgebet und in der Gabendarbringung des Bischofs zusammengefasst.
(36) So verwirklicht die Eucharistie die Einheit der christlichen Gemeinde. Sie tut auch die Einheit aller Kirchen kund, die sie in Wahrheit feiern, und darüber hinaus die Einheit aller Kirchen mit der Apostelgemeinde über die Jahrhunderte hinweg von den Anfängen bis heute. Im Geist tritt sie über die Geschichte hinweg mit der großen Versammlung der Apostel, der Märtyrer, der Zeugen aus allen Zeiten, die um das Lamm versammelt sind, in Verbindung. So macht die Eucharistiefeier als Kernpunkt des bischöflichen Dienstes schon die zukünftige Welt gegenwärtig: Die Kirche, die in Gemeinschaft versammelt ist und sich im Geist durch den Sohn dem Vater darbringt.
(37) Wer so der Eucharistiefeier vorsteht, hat die Verantwortung dafür, die Gemeinschaft in der Treue zur Lehre der Apostel zu erhalten und sie in das neue Leben zu führen. Er ist ihr Diener und ihr Hirte. Der Bischof leitet auch das gesamte liturgische Leben seiner Ortskirche, und nach seinem Beispiel wird sie zur Gebetsgemeinschaft. Er steht ihrem Lob und Bittgebet vor, und er selbst betet ohne Unterlass für alle die, die der Herr ihm anvertraut hat, weil er sich für jeden einzelnen vor dem Richterstuhl Gottes verantwortlich weiß.
(38) Ihm kommt es auch zu, darüber zu wachen, dass seinem Volk durch Predigt und Katechese der echte Inhalt des Wortes Gottes dargeboten wird, welches ein für allemal den Aposteln übertragen wurde. Er ist tatsächlich der Erstverantwortliche für die Verkündigung des Wortes Gottes in seiner Diözese.
(39) Ihm obliegt es auch, dieses Volk dazu zu führen, dass es das in Jesus Christus geschenkte Heil allen Menschen verkündet und dieser Verkündigung in lebendigem Zeugnis Gestalt verleiht. Es kommt ihm also zu, seine Kirche so zu verwalten, dass sie ihrer christlichen Berufung und der daraus erfließenden Sendung treu bleibt. Bei all dem bleibt er selbst jedoch ein Glied der Kirche, das zur Heiligkeit berufen ist und vom Heilsdienst dieser Kirche abhängt, wie der heilige Augustinus es seiner Gemeinde in Erinnerung gerufen hat: „Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ.“ Bei seiner Weihe macht sich der Bischof den Glauben der ganzen Kirche zu eigen, indem er ihn feierlich bekennt, und wird so Vater in dem Maß, wie er durch dieses Bekenntnis im vollen Sinn Sohn geworden ist. Es ist für den Bischof wesentlich, der Vater seines Volkes zu sein.
(40) Als Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe für die Gemeinschaft im apostolischen Glauben und für die Treue zu den Forderungen eines Lebens nach dem Evangelium verantwortlich.
(41) Im Vorsitz der eucharistischen Versammlung findet die Rolle des Bischofs ihre Vollendung; die Priester bilden das Kollegium, das ihn bei dieser Feier umgibt. Sie üben die Verantwortlichkeiten aus, die der Bischof ihnen anvertraut, indem sie die Sakramente feiern,
das Wort Gottes lehren und die Gemeinde in tiefer und ungebrochener Gemeinschaft mit ihm leiten. Der Diakon ist dem Dienst des Bischofs und des Priesters zugeordnet und dient als Bindeglied zwischen ihnen und der Versammlung der Gläubigen.
(42) Der Priester, der vom Bischof geweiht und von ihm abhängig ist, wird zur Erfüllung bestimmter Aufgaben gesendet; er wird vor allem zu einer Pfarrgemeinde gesandt, um deren Hirt zu sein: Er steht der Eucharistie vor, welche auf dem (vom Bischof konsekrierten) Altar gefeiert wird, er ist Verwalter der Sakramente für die Gemeinde; er verkündet das Evangelium und hält Unterricht, er hat die Aufgabe, die Charismen des Volkes (laos) Gottes in Einheit zu wahren; er erscheint als der ordentliche Leiter der örtlichen Eucharistiegemeinde; die ganze Diözese ist dann eine Gemeinschaft von Eucharistiegemeinden.
(43) Der Diakonat wird zum Dienst des Bischofs und des Priesters in der Liturgie, der Evangelisation und der Diakonie der Caritas ausgeübt.
IV. Die Apostolische Sukzession
(44) Ein und dasselbe Dienstamt Christi und der Apostel bleibt in der Geschichte wirksam. Diese Wirksamkeit ist der Durchbruch der zukünftigen Welt kraft des Heiligen Geistes in der Treue zu dem, was die Apostel von dem überliefert haben, was Jesus getan und gelehrt hat.
(45) Die Bedeutung dieser apostolischen Sukzession kommt auch daher, dass die apostolische Tradition die Gemeinde angeht und nicht nur ein isoliertes Individuum, welches zum Bischof geweiht ist. Die apostolische Sukzession wird durch die Lokalkirchen weitergegeben („in jeder Stadt“ nach dem Ausdruck des Hegesipp, „aufgrund ihrer Lehrverwandtschaft“, wie Tertullian in De praescriptione 32,6 sagt). Es handelt sich also um eine Nachfolge von Personen in der Gemeinde, denn die Una Sancta ist Gemeinschaft der Ortskirchen und nicht isolierter Individuen. In diesem Geheimnis der koinonia erscheint das Bischofsamt als Herd der apostolischen Sukzession.
(46) Wie wir schon im Dokument von München gesagt haben, ist „die apostolische Sukzession mehr als eine bloße Übertragung von Vollmachten. Sie ist Nachfolge in einer Kirche, welche den apostolischen Glauben bezeugt, in Gemeinschaft mit den anderen Kirchen, die denselben Glauben bezeugen. Der ‚Sitz‘ (die Kathedra) spielt eine entscheidende Rolle bei der Eingliederung des Bischofs inmitten der kirchlichen Apostolizität“ (Dokument von München II,4). Wir machen hier deutlich, dass der Begriff „Kathedra“ hier im Sinn der Gegenwart des Bischofs in jeder Ortskirche gebraucht wird.
(47) „Andererseits wird der Bischof, nachdem er ordiniert ist, in seiner Kirche der Gewährsmann der Apostolizität, ihr Vertreter in der Gemeinschaft der Kirchen, ihr Band zu den anderen Kirchen. Deswegen kann in seiner Kirche Eucharistie in Wahrheit nur unter seinem Vorsitz oder dem eines mit ihm in Gemeinschaft stehenden Priesters gefeiert werden.
Die Nennung seines Namens im Hochgebet ist wesentlich“ (ebd.).
(48) „Die Rückbindung an die apostolische Gemeinschaft verbindet die Gesamtheit der Bischöfe, welche die Episkope der Ortskirchen sichern, mit dem Kollegium der Apostel“ (ebd. III,4). So sind die Bischöfe ein für allemal in der Apostelschar verwurzelt, durch welche der Heilige Geist den Glauben bezeugt. Tatsächlich sind die Zwölf als Grundlage der Kirche einzigartig. Trotzdem war es notwendig, dass andere Menschen ihre unersetzliche Gegenwart sichtbar machen. So wäre die Verbindung jeder Gemeinde sowohl mit der Gemeinde der Anfänge als auch mit der Gemeinde der Endzeit gesichert.
(49) Durch seine Weihe wird jeder Bischof Nachfolger der Apostel, welche auch immer die Kirche ist, der er vorsteht, oder welche Vorrechte (presbeia) diese Kirche auch hat unter den übrigen Kirchen.
(50) Eingegliedert in die Zahl derer, denen die besondere Verantwortung für den Heilsdienst anvertraut wurde, und so in die Nachfolge der Apostel gestellt, muss der Bischof ihre Lehre weitergeben und ihnen in seinem ganzen Leben ähnlich werden. Irenäus drückt dies so aus:
„Dort, wo die Gnadengaben Gottes hinterlegt sind, muss man sich über die Wahrheit unterrichten, d. h., bei denen, wo sich die Nachfolge in der Kirche seit den Aposteln, die unangreifbare Untadeligkeit der Lebensführung und die unverdorbene Reinheit des Wortes vereint finden“ (Adv. haer. IV, 26,5). Unter den wesentlichen Aufgaben des Bischofs findet sich diejenige, in seiner Kirche durch den Geist Zeuge und Gewährsmann des Glaubens zu sein und Werkzeug ihrer Erhaltung in der apostolischen Treue. Die apostolische Sukzession ist auch eine Nachfolge in den Anstrengungen und Leiden der Apostel im Dienst des Evangeliums und in der Verteidigung des Volkes, das jedem Bischof anvertraut ist. Nach dem Wort des ersten Petrus-Briefes ist die apostolische Sukzession auch eine Nachfolge in der Barmherzigkeit und im Verständnis, in der Verteidigung der Schwachen, in der ständigen Sorge für die, die ihm zugefallen sind; so wird der Biscof zum Vorbild der Herde (vgl. 1 Petr 5,1-4; 2 Kor 4,8-11; 1 Tim 4,12; Tit 2,7).
(51) Es kommt darüber hinaus dem Bischofsamt zu, das Leben der Kirche mit seinen Diensten und Aufgaben zu gliedern und auszugestalten. Es kommt ihm auch zu, über die Wahl derer zu wachen, die in seiner Diözese Verantwortung übernehmen sollen. Die brüderliche Gemeinschaft fordert, dass alle Glieder, Amtsträger und Laien, für das Wohl des Volkes Gottes gegenseitig aufeinander hören.
(52) Im Laufe ihrer Geschichte hat die Kirche im Osten und im Westen verschiedene Formen der Ausübung der Gemeinschaft unter den Bischöfen gekannt: Austausch von Briefen, Besuche von einer Kirche bei einer anderen, aber hauptsächlich das synodale oder konziliare Leben. Seit den ersten Jahrhunderten haben sich eine Unterscheidung und Rangordnung zwischen den Kirchen älterer Gründung und denen jüngerer Gründung, zwischen Mutterkirchen und Tochterkirchen, zwischen den Kirchen der Hauptstädte und den mehr am Rande liegenden Kirchen herausgebildet. Diese Rangordnung oder „taxis“ hat bald ihren kirchenrechtlichen Ausdruck in den Kanones der Konzilien gefunden, besonders in denen, die im Gesamt der Kirchen des Ostens und des Westens angenommen wurden. Dies sind an erster Stelle die Kanones 6 und 7 des 1. Konzils von Nizäa (325), der Kanon 3 des 1. Konzils von Konstantinopel, des 2. Ökumenischen Konzils (381), der Kanon 28 von Chalkedon, des 4. Ökumenischen Konzils (451), wie auch die Kanones 3, 4 und 5 von Sardica (443) und der 1. Kanon des Konzils der Hagia Sophia (879/880). Selbst wenn diese Kanones nicht immer im Osten und im Westen im gleichen Sinne ausgelegt wurden, gehören sie doch zum Erbgut der Kirche. Sie haben den Bischöfen, die bestimmte Metropolitansitze oder größere Kirchen innehatten, in der Organisation des synodalen Lebens der Kirche einen bevorzugten Platz eingeräumt. So hat sich die Pentarchie gebildet: Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem, auch wenn im Laufe der Geschichte außerhalb der Pentarchie andere Erzbischöfe, Metropoliten, Primate und Patriarchen aufgetreten sind.
(53) Die synodale Eigenart des Handelns der Bischöfe zeigte sich vor allem in der Diskussion der Fragen, die mehrere Ortskirchen oder das Gesamt der Kirchen angingen. Ihre Gestalt konnte nach Ort und Zeit wechseln, ihre Leitlinie aber ist es, das Leben der Kirche durch das gemeinsame Handeln der Bischöfe unter dem Vorsitz dessen, den sie als den ersten unter sich anerkannten, offenbar und wirksam zu machen. In der Tat entscheidet nach dem Kanon 34 der Apostel, der in die kanonische Überlieferung unserer Kirchen eingegangen ist, der erste der Bischöfe nur in Übereinstimmung mit den übrigen Bischöfen, und diese treffen keine wichtige Entscheidung ohne die Zustimmung des ersten Bischofs.
(54) Auf den ökumenischen Konzilen, die in kritischen Augenblicken im Heiligen Geist versammelt waren, haben die Bischöfe der Kirche mit höchster Autorität gemeinsam Glaubensentscheidungen getroffen und Kanones erlassen, um die Überlieferung der Apostel unter geschichtlichen Bedingungen zu bestätigen, welche unmittelbar den Glauben, die Einheit und das Werk der Heiligung des ganzen Volkes Gottes bedrohten und so die Existenz der Kirche selbst und ihre Treue zu ihrem Gründer, Jesus Christus, aufs Spiel setzten.
(55) Unter dieser Blickrichtung auf die Gemeinschaft der Ortskirchen könnte das Thema des Primates im Gesamt der Kirche und vor allem das des Primates des Bischofs von Rom angegangen werden, welches einen schwerwiegenden Unterschied zwischen uns darstellt und später erörtert werden wird.