International Dialogue: Munich 1982
Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit

Wie es dem Beschluss von Rhodos entspricht, berührt dieses Dokument das Geheimnis der Kirche nur von einer Seite her, aber von einer Seite, die in der sakramentalen Sicht der Kirche besonders bedeutsam ist, nämlich im Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit. Es war in der Tat unser Wunsch, von dem auszugehen, was uns gemeinsam ist, und es dann so zu entfalten, dass wir von innen her und schrittweise alle die Punkte angehen, in denen wir nicht übereinstimmen. Indem wir dieses Dokument verfassen, wollen wir zeigen, dass wir gerade dadurch gemeinsam einen Glauben aussprechen, welcher die Fortführung des Glaubens der Apostel ist.

Dieses Dokument stellt die erste Etappe dar in der Anstrengung, die notwendig ist, um das Programm der Vorbereitungskommission zu verwirklichen, welches bei der ersten Zusammenkunft der Dialog-Kommission gebilligt wurde. Da es sich um eine erste Etappe handelt, bei der wir das Geheimnis der Kirche von einer einzigen Seite her in den Blick nehmen, blieben viele Punkte unberücksichtigt. Sie werden aber in den folgenden Schritten behandelt werden, so wie sie in dem schon erwähnten Programm vorgesehen sind.

I.

[1] 1. Christus, der menschgewordene, gestorbene und auferstandene Sohn Gottes, ist der einzige, der die Sünde und den Tod besiegt hat. Wenn man von der sakramentalen Eigenart des Christusgeheimnisses spricht, spricht man also von der Möglichkeit, die dem Menschen, und durch ihn dem Kosmos, gegeben ist, die neue Schöpfung, das Gottesreich, hier und jetzt in sinnenhaften und geschaffenen Wirklichkeiten zu erfahren. Dies ist die Art und Weise (tropos), in welcher die eine Person Christi und das eine Christusereignis existieren und in der Geschichte von Pfingsten bis zur Parousie wirken. Trotzdem tragen wir dieses ewige Leben, das Gott der Welt durch das Christusereignis, durch das Kommen seines ewigen Sohnes, gegeben hat, in irdenen Gefäßen. Es ist uns erst im Vorgeschmack, wie ein Angeld, gegeben.

[2] 2. Beim letzten Abendmahl hat Christus versichert, dass er den Jüngern seinen Leib gab für das Leben der vielen, und zwar in der Eucharistie. In ihr schenkt Gott diese Gabe der Welt, aber in sakramentaler Gestalt. Von diesem Augenblick an existiert die Eucharistie als das Sakrament des Christus selbst. Sie wird zum Vorgeschmack des ewigen Lebens, zur Arznei der Unsterblichkeit, zum Zeichen des zukünftigen Reiches. So geht das Sakrament des Christusereignisses über in das Sakrament der Eucharistie. Sie ist das Sakrament, das uns voll in Christus eingliedert.

[3] 3. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes, sein Tod und seine Auferstehung wurden von Anfang an entsprechend dem Willen des Vaters und im Heiligen Geist verwirklicht. Dieser Geist, der ewig aus dem Vater hervorgeht und sich durch den Sohn kundgibt, hat das Christusereignis vorbereitet, und er hat es voll verwirklicht in seiner Auferstehung. Der Christus, der das Sakrament im Vollsinn ist, welches vom Vater für die Welt gegeben wurde, fährt fort, sich für die Menge hinzugeben, und zwar im Geist, der als einziger Leben schafft (Joh 6). Das Sakrament des Christus ist ebenfalls eine Wirklichkeit, die nur im Heiligen Geist Bestand haben kann.

[4] 4. Die Kirche und die Eucharistie

a) Obwohl die Evangelisten im Abendmahlsbericht über die Tätigkeit des Geistes schweigen, war er doch mehr als sonst mit dem menschgewordenen Sohn verbunden, um das Werk des Vaters zu vollbringen. Noch wurde er nicht als Person gegeben und von den Jüngern empfangen (Joh 7,39), aber als Jesus verherrlicht wurde, goss sich auch der Heilige Geist aus und machte sich kund. Der Herr Jesus tritt ein in die Herrlichkeit des Vaters und zugleich, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes, in seine sakramentale Daseinsweise (tropos) in dieser Welt. Pfingsten, die Vollendung des Ostergeheimnisses, ist zugleich Beginn der letzten Zeit. Die Eucharistie und die Kirche, Leib des gekreuzigten und auferstandenen Christus, werden so zu dem Ort der Wirkungen des Heiligen Geistes.

b) Die Gläubigen werden im Geist getauft, auf den Namen der Heiligen Dreifaltigkeit, damit sie einen einzigen Leib bilden (vgl. 1 Kor 12,13). Wenn die Kirche die Eucharistie feiert, verwirklicht sie das, „was sie ist“, den Leib Christi (1 Kor 10,17). Tatsächlich werden die Glieder Christi in Taufe und Firmung durch den Heiligen Geist gesalbt und in Christus eingepflanzt. Aber durch die Eucharistie weitet sich das Osterereignis zur Kirche aus. Die Kirche wird das, was zu sein sie durch Taufe und Firmung berufen ist. Durch die Teilnahme am Leib und am Blut Christi wachsen die Gläubigen in jene geheimnisvolle Vergöttlichung hinein, die ihr Bleiben im Sohn und im Vater durch den Geist vollendet.

c) So feiert die Kirche einerseits die Eucharistie als Ausdruck der himmlischen Liturgie in dieser Zeit; andererseits aber erbaut die Eucharistie die Kirche in dem Sinn, dass durch sie der Geist des auferstandenen Christus die Kirche zum Leib Christi gestaltet. Deshalb ist die Eucharistie in Wahrheit das Sakrament der Kirche, nämlich zugleich als Sakrament der Ganzhingabe des Herrn an die Seinen und als Sichtbarmachung und Wachsen des Leibes des Christus, nämlich der Kirche. Die pilgernde Kirche feiert auf Erden die Eucharistie, bis ihr Herr kommt, um die Herrschaft Gott dem Vater zu übergeben, damit Gott alles in allem sei. So nimmt sie das Gericht über die Welt und ihre Verklärung am Ende schon vorweg.

[5] 5. Die Sendung des Geistes bleibt verbunden mit der des Sohnes. Die Feier der Eucharistie offenbart das göttliche Wirken des Geistes im Leib Christi:

a) Der Geist bereitet das Kommen Christi vor, indem er es durch die Propheten ankündigt, indem er die Geschichte des auserwählten Volkes auf ihn hinführt, indem er ihn durch Maria empfangen werden lässt, indem er die Herzen für sein Wort öffnet.

b) Der Geist macht Christus in seinem Wirken als Heiland offenbar, nämlich als die Frohe Botschaft, die er selbst ist. Die Eucharistie ist die Anamnese (das Gedächtnis): In Wirklichkeit, aber sakramental, ist das Ein-für-allemal heute gegenwärtig und kommt zugleich an. Die Feier der Eucharistie ist der kairos des Geheimnisses in ganz besonderer Weise.

c) Der Geist verwandelt die geheiligten Gaben in den Leib und das Blut Christi (metabolé), damit sich das Wachsen des Leibes, der die Kirche ist, vollendet. In diesem Sinne ist die ganze Feier eine Epiklese, die sich aber in bestimmten Augenblicken deutlicher ausdrückt. Die Kirche ist unablässig im Zustand der Epiklese, der Herabrufung des Heiligen Geistes.

d) Die Kirche bringt mit dem Leib Christi die in Verbindung, die an demselben Brot und demselben Kelch teilnehmen. Von daher macht die Kirche kund, was sie ist: Das Geheimnis der trinitarischen Koinonia, das „Wohnen Gottes bei den Menschen“ (vgl. Offb 21,4). Indem der Geist das aktualisiert, was Christus ein für allemal getan hat – das Ereignis des Geheimnisses –‚ verwirklicht er es in uns allen. Dieser Bezug zum Geheimnis, der in der Eucharistie besonders augenscheinlich ist, findet sich auch in den anderen Sakramenten, da sie alle Wirkungen des Geistes sind. Deshalb ist die Eucharistie der Mittelpunkt des sakramentalen Lebens.

[6] 6. Die Eucharistiefeier macht in ihrer Gesamtheit das dreifaltige Geheimnis der Kirche gegenwärtig. Vom Hören des Wortes, das in der Verkündigung des Evangeliums – der apostolischen Ansage des fleischgewordenen Wortes – seinen Höhepunkt hat, geht man über zur Danksagung an den Vater, zum Gedächtnis des Opfers Christi und zur Gemeinschaft um ihn. Dies alles dank dem epikletischen Gebet, welches im Glauben gesprochen wird. Denn in der Eucharistie ist die Epiklese nicht nur eine Wandlungsbitte; sie ist auch ein Gebet um die volle Wirkung der Kommunion aller mit dem Geheimnis, das durch den Sohn offenbart ist. Auf diese Weise erstreckt sich die Anwesenheit des Geistes selbst durch die Austeilung des Sakraments des fleischgewordenen Wortes auf den ganzen Leib der Kirche. Ohne dass wir jetzt auch noch die Schwierigkeiten lösen wollten, die zwischen Ost und West bezüglich des Verhältnisses von Sohn und Geist erhoben werden, können wir doch schon gemeinsam sagen, dass dieser Geist, der vom Vater als der einzigen Quelle in der Dreifaltigkeit ausgeht (Joh 15,26), für uns der Geist der Sohnschaft geworden ist (Röm 8,15), weil er auch der Geist des Sohnes ist (Gal 4,6), uns in besonderer Weise in der Eucharistie mitgeteilt wird, und zwar durch den Sohn, auf dem er in der Zeit und in der Ewigkeit ruht (Joh 1,32). Deshalb vollzieht sich das eucharistische Geheimnis in dem Gebet, welches die Worte, durch die das fleischgewordene Wort das Sakrament eingesetzt hat, und die Epiklese miteinander verbindet, in welcher die Kirche, erfüllt vom Glauben, durch den Sohn den Vater bittet, den Heiligen Geist zu senden, damit in der einzigen Darbringung des fleischgewordenen Sohnes alles in der Einheit vollendet werde. Durch die Eucharistie vereinigen sich die Gläubigen mit dem Christus, der sich mit ihnen dem Vater darbringt, und empfangen die Vollmacht, sich im Geist des Opfers füreinander hinzugeben, wie der Christus selbst sich dem Vater für die vielen hingegeben hat, indem er sich so den Menschen hingab. Diese Vollendung in der Einheit, die auf untrennbare Weise durch den Sohn und den Geist vollbracht wird, da sie im Blick auf den Vater und seinen Heilswillen handeln, ist die Kirche in ihrer Seinsfülle.

II.

[7] 1. Wenn man sich auf das Neue Testament stützt, wird man zunächst bemerken, dass die Kirche eine ortsgebundene Wirklichkeit bezeichnet. Die Kirche existiert in der Geschichte als Ortskirche. Für eine ganze Landschaft spricht man vielmehr von Kirchen in der Mehrzahl. Es handelt sich immer um die Kirche Gottes, aber um die Kirche an einem Ort. Nun ist aber die Kirche, die an einem Ort existiert, im Grunde nicht durch Personen gebildet, die sich zusammenfinden, um sie zu konstituieren. Es existiert „ein Jerusalem von oben“, das „von Gott her herabsteigt“, also eine Gemeinschaft, welche die Gemeinde selbst begründet. Die Kirche ist durch eine ungeschuldete Gnadengabe konstituiert, nämlich durch die neue Schöpfung. Es ist aber offenkundig, dass die Kirche, die an einem bestimmten Ort ist, sich als solche kundgibt, wenn sie sich versammelt. Diese Versammlung selbst, deren Merkmale und Bedürfnisse durch das Neue Testament angegeben werden, ist in vollem Sinne, was sie sein soll, wenn sie Eucharistiegemeinde ist. Tatsächlich wird das Ereignis, das ein für allemal eingetreten ist, aktualisiert und manifestiert, wenn die Lokalkirche die Eucharistie feiert. Dann gibt es in der Ortskirche weder Mann noch Frau, weder Sklaven noch Freien, weder Juden noch Heiden. Dann wird eine neue Einheit mitgeteilt, die alle Trennungen übersteigt und die Gemeinschaft mit dem Leib Christi wieder herstellt. Diese Einheit übersteigt jede psychologische, rassische, sozio-politische oder kulturelle Einheit. Sie ist die Gemeinschaft des Heiligen Geistes, welcher die zerstreuten Kinder Gottes sammelt. Die Einheit von Taufe und Firmung trägt dann ihre Frucht. Und durch die Kraft des Leibes und des Blutes des Herrn, welches erfüllt ist vom Heiligen Geist, wird die Sünde geheilt, die nicht aufhört, auch die Christen anzugreifen, und die das Hindernis für die Wirksamkeit des Lebens für Gott in Christus Jesus, das wir in der Taufe empfangen haben, darstellt. Dies gilt auch von der Sünde der Spaltung, deren sämtliche Formen dem Willen Gottes widersprechen. Einer der wichtigsten Texte, an den hier zu erinnern ist, ist 1 Kor 10,15-17: Ein einziges Brot, ein einziger Kelch, ein einziger Leib Christi in der Vielzahl der Glieder. Dieses Geheimnis der Einheit in der Liebe vieler Personen stellt im Vollsinn die Neuheit der trinitarischen Koinonia dar, die dem Menschen in der Kirche durch die Eucharistie mitgeteilt ist. Dies ist das Ziel des Heilswerkes Christi, welches in den letzten Zeiten seit Pfingsten sich ausbreitet. Deshalb hat die Kirche ihr Vorbild, ihren Ursprung und ihr Ziel im Geheimnis des einen Gottes in drei Personen. Mehr noch, die Eucharistie stellt, wenn sie so im Licht des Geheimnisses der Dreifaltigkeit verstanden wird, den Maßstab dar für den Vollzug des gesamten kirchlichen Lebens. Die institutionellen Elemente dürfen dabei nichts anderes sein als ein Widerschein der geheimnisvollen Wirklichkeit.

[8] 2. Der Ablauf der Eucharistiefeier in der Ortskirche zeigt, wie die Koinonia sich in der Kirche verwirklicht, wenn sie Eucharistie feiert. Wenn die Gemeinde, die um ihren Bischof oder den mit ihm in Verbindung stehenden Priester versammelt ist, die Eucharistie feiert, kann man folgende Aspekte entdecken, die ineinander greifen, auch wenn dieser oder jener Moment der Feier mehr diesen oder jenen Aspekt zum Ausdruck bringt. Die Koinonia hat eschatologischen Charakter. Sie ist das Neue, das in den letzten Zeiten kam. Deshalb beginnt, wie im Leben der Kirche, so auch in der Eucharistie, alles mit der Bekehrung und der Versöhnung. Die Eucharistie setzt die Umkehr (metanoia) und das Bekenntnis (exhomologese) voraus, die aber in anderem Zusammenhang ihren sakramentalen Ausdruck finden. Aber die Eucharistie vergibt und heilt auch die Sünden, da sie das Sakrament der Liebe des Vaters ist, die durch den Sohn im Heiligen Geist die Gläubigen vergöttlicht. Aber diese Koinonia hat auch Verkündigungscharakter. Der Grund dafür ist nicht nur, dass in der heiligen Feier das Sich-Ereignen des Geheimnisses verkündet wird, sondern auch, dass es heute im Heiligen Geist aktualisiert wird. Dies schließt auch die Verkündigung des Wortes an die Gemeinde und die Glaubensantwort von allein ein. So verwirklicht sich die Teilhabe der Versammlung an der Botschaft, also die Einheit im Glauben. Der rechte Glaube gehört zur eucharistischen Koinonia. Dieser rechte Glaube drückt sich am deutlichsten durch das Glaubensbekenntnis aus, welches die Zusammenfassung der apostolischen Tradition darstellt, deren Zeuge kraft seiner apostolischen Nachfolge der Bischof ist. So ist die Eucharistie auf untrennbare Weise zugleich Sakrament und Wort, denn in ihr ist das fleischgewordene Wort gegenwärtig, welches im Heiligen Geist heiligt. Deshalb stellt die ganze Liturgie, nicht nur die Verlesung der heiligen Schriften, eine Verkündigung des Wortes dar, und zwar in der Gestaltung von Lobpreis und Gebet. Andererseits ist das verkündigte Wort das fleischgewordene, im Sakrament verhüllte Wort. Die Koinonia ist zugleich Dienst und Geistesgabe. Deshalb ist die Eucharistie ihre vorzüglichste Manifestation. Die ganze versammelte Gemeinde, jeder in seinem Rang, ist „Liturge“ der Koinonia, und sie ist es nur durch den Heiligen Geist. Obwohl die Koinonia Gabe des dreifaltigen Gottes ist, ist sie zugleich doch auch Antwort der Menschen. Sie verwirklichen in dem Glauben, der vom Geist und vom Wort herkommt, die Berufung und die Sendung, die sie in der Taufe empfangen haben, nämlich, jeder in seinem Rang, lebendige Glieder des Leibes Christi zu werden.

[9] 3. Der Dienst des Bischofs erschöpft sich nicht in einer taktischen oder rein praktischen Funktion (weil es eben einen Vorsitzenden geben muss), sondern ist organische Funktion. Der Bischof empfängt die Gabe der bischöflichen Gnade (1 Tim 4,14) im Sakrament der Weihe, welche durch Bischöfe vollzogen wird, die ihrerseits diese Gabe empfangen haben, weil es eine ununterbrochene Nachfolge bischöflicher Handauflegung gibt, die bei den heiligen Aposteln begonnen hat. Durch das Sakrament der Weihe verleiht der Geist des Herrn dem Bischof nicht nur rein rechtlich eine bloße Vollmacht, sondern auf sakramentale Weise die Exousia des Dieners, die der Sohn vom Vater empfangen hat und die er auf menschliche Weise durch seine Zustimmung in der Passion übernommen hat. Die Funktion des Bischofs ist eng verknüpft mit der eucharistischen Versammlung, bei der er den Vorsitz hat. Die eucharistische Einheit der Ortskirche umfasst die Gemeinschaft zwischen dem, der vorsitzt, und dem Volk, dem er das Wort des Heiles und die eucharistischen Gaben austeilt. Andererseits ist der Amtsträger seinerseits einer, der von seiner Kirche dieses Wort, das er weitergibt, empfängt, da sie der Überlieferung treu ist. Und das große Flehgebet, das er zum Vater emporsendet, ist kein anderes als das seiner ganzen Kirche mit ihm zusammen. Genauso wenig, wie sie vom Bischof losgelöst werden kann, kann der Bischof von seiner Kirche getrennt werden. Der Bischof steht im Herzen der Ortskirche als Diener des Geistes, um die Gnadengaben zu unterscheiden und darüber zu wachen, dass sie in Einmütigkeit ausgeübt werden, zum Wohle aller, in Treue zur apostolischen Überlieferung. Er stellt sich in den Dienst der Anregungen des Geistes, damit nichts sie hindert, zur Auferbauung der Koinonia beizutragen. Er ist der Diener der Einheit, Knecht Christi des Herrn, dessen Sendung es ist, „die Kinder Gottes in die Einheit zu versammeln“. Und da die Kirche durch die Eucharistie aufgebaut wird, ist er es, der, bekleidet mit der Gnade des priesterlichen Dienstes, in ihr den Vorsitz hat. Aber dieser Vorsitz will recht verstanden sein. Der Bischof hat den Vorsitz bei der Darbringung, welche die Darbringung der ganzen Gemeinde ist. Wenn er die Gaben konsekriert, damit sie der Leib und das Blut werden, welche die Gemeinde darbringt, feiert er nicht nur für sie, auch nicht nur mit ihr oder in ihr, sondern durch sie. Er erscheint also als Diener Christi, der die Einheit seines Leibes herstellt, der die Gemeinschaft durch seinen Leib schafft. Die Einheit der Gemeinde mit Christus ist in erster Linie von geheimnisvoller Art, nicht zuerst von rechtlicher Art. Diese Einheit, die sich in der Eucharistie ausdrückt, setzt sich fort und aktualisiert sich in der Gesamtheit der pastoralen Beziehungen des Lehramtes, in der Leitung und im sakramentalen Leben. So ist die kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, Vorbild und Entwurf einer erneuerten menschlichen Gemeinschaft zu sein.

[10] 4. Es besteht eine tiefe Gemeinschaft zwischen dem Bischof und der Gemeinde, in welcher der Geist ihm die Verantwortung für die Kirche Gottes überträgt. Die alte Tradition machte dies durch das Bild von der Hochzeit deutlich. Aber diese Gemeinschaft hat ihren Platz innerhalb der Gemeinschaft mit der apostolischen Gemeinde. In der alten Tradition (die besonders durch die apostolische Tradition des Hippolyt bezeugt ist), wird der Bischof vom Volk gewählt, welches als Zeuge seines apostolischen Glaubens auftritt, und zwar in der Übereinstimmung mit dem, was die Ortskirche bekennt, und empfängt die Gnade seines Dienstamtes von Christus durch den Geist in dem Gebet der Gemeinde und durch die Handauflegung (cheirotonia) der Nachbarbischöfe, die ihrerseits Zeugen des Glaubens ihrer eigenen Kirchen sind. Seine Gnadengabe, die unmittelbar vom Geist kommt, ist ihm also in der Apostolizität seiner Kirche gegeben (welche zurückgebunden ist an den Glauben des Apostelkollegiums) und in der Apostolizität der anderen Kirchen, die durch ihre Bischöfe repräsentiert sind. Deshalb gliedert sich sein Dienst in die Katholizität der Kirche Gottes ein. Die apostolische Sukzession bedeutet also viel mehr als eine bloße Übertragung von Amtsgewalt. Sie ist Nachfolge in einer Kirche, welche Zeuge des apostolischen Glaubens ist und in Gemeinschaft steht mit den anderen Kirchen, die ihrerseits Zeugen desselben apostolischen Glaubens sind. Der Bischofssitz, die Kathedra, spielt eine zentrale Rolle bei der Eingliederung des Bischofs in die kirchliche Apostolizität. Andererseits wird der Bischof, wenn er einmal geweiht ist, in seiner Kirche zum Garanten der Apostolizität, da er sie im Schoße der Gemeinschaft der Kirchen repräsentiert und ihre Verbindung mit den anderen Kirchen darstellt. Deshalb kann in seiner Kirche in Wirklichkeit Eucharistie immer nur unter seinem Vorsitz oder dem Vorsitz eines mit ihm in Gemeinschaft stehenden Priesters gefeiert werden. Die Nennung seines Namens im Hochgebet ist ein wesentlicher Bestandteil. Durch den Dienst der Priester, die beauftragt sind, dem Leben und der Eucharistiefeier der ihnen anvertrauten Gemeinden vorzustehen, wachsen diese in der Gemeinschaft mit allen Gemeinden, für die der Bischof in erster Linie verantwortlich ist. In der heutigen Situation ist das Bistum selbst eine Gemeinschaft von Eucharistiegemeinden. Eine der wesentlichen Aufgaben der Priester ist es, die Gemeinden mit der Eucharistiefeier des Bischofs zu verbinden und sie mit dem apostolischen Glauben zu ernähren, für den der Bischof Zeuge und Bürge ist. Sie müssen auch darüber wachen, dass die Christen, genährt durch den Leib und das Blut dessen, der sein Leben für seine Brüder hingegeben hat, echte Zeugen der brüderlichen Liebe sind, in dem gegenseitigen Opfer, welches sich aus dem Opfer Christi speist. Wenn nämlich, wie der Apostel sagt, „jemand seinen Bruder in Not sieht und sein Herz vor ihm verschließt, wie kann dann die Liebe Gottes in ihm bleiben“? Die Eucharistie bewirkt es, dass das österliche Geheimnis des Christus und die Gabe von Pfingsten auf christliche Weise gelebt werden. Durch sie wird die menschliche Existenz, welche ja immer der Versuchung und dem Leiden ausgesetzt ist, in ihrer Tiefe umgewandelt.

III.

[11] 1. Der Leib Christi ist ein einziger. Es existiert also nur eine Kirche Gottes. Die Identität einer eucharistischen Versammlung mit der anderen kommt davon, dass alle im selben Glauben dasselbe Gedächtnis feiern, dass alle durch das Essen desselben Leibes Christi und die Teilnahme an demselben Kelch zu dem einen und einzigen Leib Christi werden, in den sie schon durch die Taufe eingegliedert wurden. Wenn es eine Vielzahl von Feiern gibt, gibt es doch nur ein einziges Geheimnis, welches gefeiert wird und an dem wir Anteil haben. Außerdem empfängt der Gläubige, wenn er am Leib und am Blut des Herrn teilhat, nicht nur einen Teil des Christus, sondern den ganzen Christus. Ebenso wenig ist die Lokalkirche, die, um ihren Bischof versammelt, Eucharistie feiert, eine Sektion des Leibes Christi. Die Vielzahl der örtlichen Eucharistiefeiern zerteilt die Kirche nicht, sondern macht vielmehr auf sakramentale Weise ihre Einheit deutlich Wie die Schar der Apostel, die um Christus versammelt waren, so ist jede eucharistische Versammlung in Wirklichkeit die heilige Kirche Gottes, der Leib Christi, da sie mit der ersten Gemeinde der Jünger in Verbindung steht und mit denen, die überall auf der Welt das Gedächtnis des Herrn feiern oder gefeiert haben. Sie steht auch in Gemeinschaft mit der Versammlung der Heiligen im Himmel, deren sie in jeder Feier gedenkt.

[12] 2. Die Koinonia schließt nicht etwa Verschiedenheit und Vielfalt aus, sondern setzt sie voraus, heilt die Wunden der Spaltung, indem sie diese in die Einheit hinein überschreitet. Da der Christus einer ist für die vielen, sind ebenso in der Kirche, die sein Leib ist, der eine und die Vielen, das Allgemeine und das Besondere notwendigerweise gleichzeitig. In einem noch tieferen Sinn ist die eine und einzige Kirche, weil der eine einzige Gott die Gemeinschaft von drei Personen ist, Gemeinschaft von vielen Gemeinden; zugleich ist die Ortskirche Gemeinschaft von Personen. Die eine und einzige Kirche ist identisch mit der Koinonia der Kirchen. Einheit und Vielfalt erscheinen hier als so eng miteinander verbunden, dass die eine ohne die andere nicht bestehen kann. Dieser für die Kirche grundlegende Bezug wird durch die Institution sichtbar gemacht und in der Geschichte verwirklicht.

[13] 3. Da die Katholische Kirche sich in der Eucharistiefeier der Ortskirche darstellt, müssen vor allem zwei Bedingungen erfüllt werden, damit die Ortskirche, die Eucharistie feiert, in Wirklichkeit in der kirchlichen Gemeinschaft steht.

a) In der Tat ist die Identität des Geheimnisses der Kirche, wie es in der Ortskirche gelebt wird, mit dem Geheimnis der Kirche, wie es durch die Urkirche gelebt wurde – Katholizität in der Zeit – grundlegend. Die Kirche ist apostolisch, weil sie gegründet ist und unablässig erhalten wird im Heilsgeheimnis, welches in Jesus Christus offenbar wurde und welches im Geist durch die überliefert ist, die seine ersten Zeugen waren, die Apostel. Ihre Glieder werden gerichtet werden durch den Christus und die Apostel (vgl. Lk 22.30).

b) Die gegenseitige Anerkennung zwischen einer Lokalkirche und den übrigen Kirchen ist heute ebenso grundlegend. Jeder muss in dem anderen durch alle örtlichen Besonderheiten hindurch die Identität des Geheimnisses der Kirche anerkennen. Es handelt sich um eine gegenseitige Anerkennung der Katholizität als eine Gemeinschaft in der Unversehrtheit des Geheimnisses. Diese gegenseitige Anerkennung vollzieht sich zunächst auf regionaler Ebene. Die Gemeinschaft innerhalb eines Patriarchates oder in einer anderen Form regionaler Einheit ist zunächst eine Manifestation des Lebens des Geistes, innerhalb derselben Kultur und derselben historischen Bedingungen. Sie umschließt ebenso die Einheit des Zeugnisses und ruft nach der Ausübung der brüderlichen Zurechtweisung in Demut. Diese Gemeinschaft innerhalb einer Region muss aber in die Gemeinschaft zwischen Schwesterkirchen hinein überschritten werden. Aber diese gegenseitige Anerkennung ist nur dann wahr, wenn sie die Bedingungen erfüllt, die in der Anaphora des heiligen Johannes Chrysostomus und in den ersten antiochenischen Anaphoren ausgedrückt sind. Eine davon ist die Gemeinschaft in derselben Botschaft, also im selben Glauben. Diese Notwendigkeit ist schon in der Taufe ausgesprochen, wird aber noch viel deutlicher in der Eucharistiefeier. Es braucht aber darüber hinaus den Willen zur Gemeinschaft in der Agape und in der Diakonie, und zwar nicht nur in Worten, sondern in Taten. Sowohl die Fortdauer in der Geschichte als auch die gegenseitige Anerkennung sind besonders dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in der Eucharistiefeier im Hochgebet die Heiligen und die Kirchenoberen erwähnt werden. So begreift man, wieso diese letzteren Zeichen der katholischen Einheit in der eucharistischen Gemeinschaft sind; sie sind ja, jeder auf seiner Ebene, dafür verantwortlich, dass die Gemeinschaft in der Gesamtübereinstimmung der Kirchen und in ihrer gemeinsamen Treue zur apostolischen Tradition aufrechterhalten wird.

[14] 4. Man findet also zwischen den Kirchen die Bande der Gemeinschaft, welche das Neue Testament aufzählt. Gemeinschaft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, Gemeinschaft in den Sakramenten, Gemeinschaft in der Vielfalt der Gnadengaben, Gemeinschaft in der Versöhnung, Gemeinschaft im Dienst. Diese Gemeinschaft bewirkt der Geist des auferweckten Herrn. Er bewirkt es, dass die allgemeine katholische Kirche die Vielfalt oder Verschiedenheit in sich eingliedert, indem sie daraus sogar eines ihrer wesentlichen Elemente macht. Diese Katholizität stellt die Erfüllung der Bitte aus dem 17. Kapitel des Johannes-Evangeliums dar, die in den eucharistischen Epiklesen wieder aufgenommen wird. Die Verbindung mit der apostolischen Gemeinschaft verknüpft die Gesamtheit der Bischöfe, welche die episkopé in den Ortskirchen wahrnehmen, mit dem Kollegium der Apostel. Auch sie bilden ein Kollegium, welches durch den Geist eingewurzelt ist in jenes „Ein-für-allemal“ der Apostel, welche die einzigen Zeugen des Glaubens sind. Dies bedeutet nicht nur, dass sie untereinander durch den Glauben, die Liebe, die Mission, die Versöhnung verbunden sein müssen, sondern auch, dass sie teilhaben an derselben Verantwortung und an demselben Dienst für die Kirche. Weil sich in seiner Ortskirche die eine und einzige Kirche verwirklicht, kann kein Bischof die Sorge für seine Kirche von der Sorge für die Gesamtkirche lostrennen. Und wenn er durch das Sakrament der Weihe die Geistesgabe für die episkopé einer Ortskirche empfängt, nämlich der seinigen, dann empfängt er dadurch auch die Geistesgabe für die episkopé der ganzen Kirche. Im Volk Gottes übt er sie aus, und zwar in Gemeinschaft mit allen Bischöfen, die hic et nunc für Kirchen verantwortlich sind, und in Gemeinschaft mit der lebendigen Überlieferung, welche die Bischöfe der Vergangenheit überliefert haben. Die Anwesenheit von Bischöfen der Nachbarsitze bei seiner Bischofsweihe macht diese Gemeinschaft sakramental sichtbar und aktualisiert sie. Sie bringt eine Osmose hervor, die sich zwischen seiner Sorge für die Ortsgemeinde und der Sorge für die auf der ganzen Erde verbreitete Kirche abspielt. Die episkopé für die Gesamtkirche ist also durch den Geist der Gesamtheit der Ortsbischöfe anvertraut, die miteinander in Gemeinschaft stehen. Diese Gemeinschaft drückt sich herkömmlicherweise in der konziliaren Praxis aus. Wir werden die Art und Weise, wie diese verstanden und verwirklicht wird, genauer zu untersuchen haben, und zwar im Licht dessen, was wir hier deutlich gesagt haben.

Das Geheimnis der Kirche und der Eucharistie im Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit