International Dialogue: Balamand 1993
Der Uniatismus – eine überholte Unionsmethode – und die derzeitige Suche nach der vollen Gemeinschaft

Einleitung

1. Auf Verlangen der Orthodoxen Kirche wurde der normale Fortgang des theologischen Dialogs mit der Katholischen Kirche unterbrochen, um unmittelbar die Frage des Uniatismus anzugehen.

2. Bezüglich dieser Methode des Uniatismus hat man in Freising (Juni 1990) erklärt, dass „wir sie als Methode der Suche nach der Einheit verwerfen, weil sie der gemeinsamen Überlieferung unserer Kirchen widerspricht“.

3. Was die katholischen Ostkirchen angeht, ist es klar, dass sie als Teil der katholischen Gemeinschaft das Recht haben, zu existieren und zu handeln, wie es den geistlichen Bedürfnissen ihrer Gläubigen entspricht.

4. Das Dokument, welches durch das gemischte Koordinierungskomitee in Ariccia (Juni 1991) erstellt und in Balamand (Juni 1993) überarbeitet und verabschiedet wurde, beschreibt die Methode, die heute in der Suche nach der vollen Gemeinschaft die unsere ist, und gibt so die Gründe dafür an, warum der Uniatismus heute als Unionsmethode auszuschließen ist.

5. Dieses Dokument umfasst zwei Teile: (1) Ekklesiologische Grundsätze und (2) Regeln für die Praxis.

Ekklesiologische Grundsätze

6. Die Spaltung zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens hat nicht nur niemals das Verlangen nach der von Christus selbst gewollten Einheit erstickt, sondern dieser dem Wesen der Kirche widersprechende Zustand ist für viele Anlass zu einem lebendigeren Bewusstsein davon geworden, wie notwendig es ist, diese Einheit zu verwirklichen, um dem Gebot des Herrn treu zu sein.

7. Im Verlauf der Jahrhunderte sind unterschiedliche Anstrengungen gemacht worden, um die

Einheit wiederherzustellen; sie haben dieses Ziel auf sehr unterschiedlichen Wegen zu erreichen versucht, manchmal durch Konzilien, je nachdem wie die politischen, geschichtlichen, theologischen und geistlichen Verhältnisse einer Epoche waren. Unglücklicherweise ist es keiner dieser Anstrengungen gelungen, die volle Gemeinschaft zwischen der Kirche des Westens und der Kirche des Ostens wiederherzustellen; ja manchmal haben sie sogar die Gegensätze noch verhärtet.

8. Während der letzten vier Jahrhunderte wurden in verschiedenen Gegenden des Ostens innerhalb mancher Kirchen auf Grund äußerer Einflüsse Schritte unternommen, um die Gemeinschaft zwischen der Kirche des Ostens und der Kirche des Westens wiederherzustellen. Dies hat zur Vereinigung mancher Gemeinschaften mit dem Römischen Stuhl geführt, hat aber als Folge davon die Einheit mit ihren Mutterkirchen im Osten zerbrochen. Dies alles geschah nicht ohne die Einwirkung außerkirchlicher Bestrebungen. So sind die katholischen Ostkirchen entstanden; dieser Zustand ist zur Quelle von Auseinandersetzungen und Leiden geworden, zunächst für die Orthodoxen, dann aber auch für die Katholiken.

9. Wie immer die Absicht zu beurteilen ist und wie aufrichtig der Wille gewesen sein mag, dem Gebot Christi, „dass alle eins seien“, treu zu sein, die sich in diesen Teilunionen mit dem Römischen Stuhl ausdrücken, man muss jedenfalls feststellen, dass die Einheit zwischen der Kirche des Ostens und der Kirche des Westens auf diese Weise nicht erreicht wurde, dass die Spaltung vielmehr fortbesteht, ja durch diese Unternehmungen vergiftet wurde.

10. Der so geschaffene Zustand hat tatsächlich Spannungen und Gegensätze erzeugt. In den Jahrzehnten nach Abschluss dieser Unionen richtete sich die missionarische Aktivität unter anderem immer stärker bevorzugt darauf aus, andere Christen, einzeln oder in Gruppen, zu bekehren, um sie zur eigenen Kirche „zurückkehren“ zu lassen. Um diese Bestrebungen, also die Quelle des Proselytismus, zu rechtfertigen, hat die Katholische Kirche in ihrer Theologie die Vorstellung entwickelt, sie selbst sei die einzige Hüterin des Heiles. Als Antwort darauf hat die Orthodoxe Kirche ihrerseits sich die gleiche Vorstellung zu Eigen gemacht, wonach sich nur bei ihr das Heil fände. Um das Heil der „getrennten Brüder“ zu sichern, kam es sogar zur Wiedertaufe von Christen; man vergaß dabei die Forderungen der Religionsfreiheit und der Freiheit des Glaubensaktes; die Zeit war freilich dafür wenig sensibel.

11. Von anderer Seite her haben manche staatlichen Gewalten Schritte unternommen, um die östlichen Katholiken in die Kirche ihrer Väter zurückzuführen; dazu haben sie gelegentlich, ohne zu zögern, durchaus unzulässige Mittel angewendet.

12. Auf Grund der Art und Weise, wie Katholiken und Orthodoxe sich in ihrem Bezug zum Geheimnis der Kirche von neuem anschauen und sich als Schwesterkirchen wiederentdecken, kann diese Form des „missionarischen Apostolats“, die soeben beschrieben wurde und die „Uniatismus“ genannt wurde, in Zukunft weder als zu befolgende Methode betrachtet werden noch als Modell für die angestrebte Einheit unserer Kirchen.

13. Tatsächlich haben, vor allem seit den panorthodoxen Konferenzen und dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die Wiederentdeckung und die neue Hochschätzung der Kirche als Gemeinschaft (communio), seitens sowohl der Orthodoxen als auch der Katholiken, die Betrachtungsweise und infolge davon auch das Verhalten zueinander grundlegend geändert. Von beiden Seiten erkennt man nun an, dass das, was Christus seiner Kirche anvertraut hat – Bekenntnis des apostolischen Glaubens, Teilnahme an denselben Sakramenten, vor allem am einzigen Priestertum, welches das einzige Opfer Christi feiert, Apostel-Nachfolge der Bischöfe – nicht als ausschließliches Eigentum nur einer unserer beiden Kirchen betrachtet werden kann. In diesem Zusammenhang ist es völlig klar, dass jede Wiedertaufe ausgeschlossen ist.

14. Aus diesem Grunde erkennen sich die Katholische Kirche und die Orthodoxe Kirche gegenseitig als Schwesterkirche an, die gemeinsam dafür verantwortlich sind, dass die Kirche Gottes ihrer göttlichen Bestimmung treu bleibt, vor allem in Bezug auf die Einheit. Nach den Worten von Papst Johannes Paul II. sucht die ökumenische Anstrengung der Schwesterkirchen des Ostens und des Westens, die sich auf den Dialog und das Gebet stützt, eine vollkommene und vollständige Gemeinschaft, bei der sich die Kirchen weder vermengen noch die eine die andere aufsaugt, sondern sie einander in Wahrheit und Liebe entgegenkommen (vgl. Slavorum Apostoli Nr. 27).

15. Die Freiheit der Personen und die allgemeine Verpflichtung, den Forderungen des Gewissens zu folgen, müssen unverletzt bleiben; deshalb kann es sich bei allen Anstrengungen um die Wiedergewinnung der Kircheneinheit nicht darum handeln, einzelne Personen von einer Kirche zur anderen zu bekehren, um ihr Heil zu sichern. Es handelt sich vielmehr darum, gemeinsam den Willen Christi für die Seinen und die Absicht Gottes mit seiner Kirche zu verwirklichen, indem die Kirchen gemeinsam die volle Übereinstimmung im Glaubensinhalt suchen und daraus die Folgerungen ziehen. Dieses Ziel verfolgt der theologische Dialog, der in Gang gebracht wurde; das vorliegende Dokument ist ein notwendiger Schritt in diesem Dialog.

16. Die katholischen Ostkirchen, welche die volle Gemeinschaft mit dem Römischen Stuhl haben wieder herstellen wollen und ihr treu geblieben sind, haben die Rechte und Pflichten, die mit dieser Gemeinschaft, deren Teil sie sind, verbunden sind. Für ihr Verhältnis zu den orthodoxen Kirchen gelten jene Grundsätze, die durch das Zweite Vatikanische Konzil aufgestellt wurden und die durch die Päpste in die Tat umgesetzt wurden, indem sie die praktischen Konsequenzen in verschiedenen seither veröffentlichten Dokumenten genau umrissen haben. Es ist also notwendig, diese Kirchen sowohl auf örtlicher als auf allgemeiner Ebene in gegenseitigem Respekt und wiedergewonnenem gegenseitigem Vertrauen in den Dialog der Liebe einzugliedern und sie in den theologischen Dialog mit all seinen praktischen Auswirkungen einzuführen.

17. In dieser Atmosphäre sind die Überlegungen, die hier vorausgeschickt wurden, und die praktischen Regeln, die hier folgen, in dem Maß, wie sie wirksam angenommen und treu eingehalten werden, geeignet, zu einer gerechten und endgültigen Lösung jener Schwierigkeiten zu führen, welche sich aus der Existenz der katholischen Ostkirchen für die Orthodoxe Kirche ergeben.

18. Zu diesem Zweck hatte schon Papst Paul VI. in seiner Ansprache im Phanar im Juni 1967 versichert, „dass es Aufgabe der Kirchenoberhäupter und ihrer Hierarchie ist, die Kirchen auf dem Weg zu leiten, der zur vollen Gemeinschaft zurückführt. Dabei müssen sie sich gegenseitig anerkennen und respektieren als Hirten des Teils der Herde Christi, der ihnen anvertraut ist, indem sie für Zusammenhalt und Wachstum des Volkes Gottes sorgen und alles vermeiden, was es zerstreuen oder in ihm Verwirrung stiften könnte“ (Tomos Agapis Nr. 172). In diesem Geiste haben Papst Johannes Paul II. und der Ökumenische Patriarch Dimitrios I. gemeinsam versichert: „Wir verwerfen jede Form von Proselytismus, jedes Verhalten, welches ein Mangel an Respekt wäre oder so verstanden werden könnte“ (7. Dezember 1987).

Regeln für die Praxis

19. Die gegenseitige Hochachtung zwischen den Kirchen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, wird sich deutlich in dem Maß verstärken, wie sie die nun folgenden Regeln für die Praxis befolgen.

20. Diese Regeln werden die Schwierigkeiten, die uns bedrücken, nicht beheben, wenn es nicht zuvor auf jeder Seite den im Evangelium begründeten Willen zur Vergebung gibt und als Kern aller Erneuerungsanstrengung den immer neu belebten Wunsch, die volle Gemeinschaft wiederzufinden, die mehr als ein Jahrtausend zwischen unseren Kirchen bestanden hat. Hier muss immer neu verstärkt und mit unermüdlicher Ausdauer der Dialog der Liebe ansetzen, der allein im Stande ist, gegenseitige Missverständnisse zu überwinden und das Klima zu schaffen, welches für die Vertiefung des theologischen Dialogs notwendig ist, der zur vollen Gemeinschaft führen kann.

21. Der erste Schritt, der getan werden muss, besteht darin, alles aus dem Weg zu räumen, was zwischen den Kirchen Misshelligkeiten, Missachtung oder gar Hass aufrechterhält. Die Autoritäten der Katholischen Kirche werden in diesem Sinne den katholischen Ostkirchen und allen ihren Gemeinden helfen, dass auch sie die volle Gemeinschaft zwischen der Katholischen und der Orthodoxen Kirche mit vorbereiten. Die Autoritäten der Orthodoxen Kirche werden ihren Gläubigen gegenüber entsprechend handeln. So wird man zugleich in Liebe und in Gerechtigkeit mit der außerordentlich verwickelten Lage umgehen können, die in Mittel- und Osteuropa sowohl für die Katholiken als auch für die Orthodoxen entstanden ist.

22. Die Seelsorgstätigkeit der Katholischen Kirche, sowohl die der lateinischen wie die der östlichen, ist nicht darauf gerichtet, die Gläubigen von einer Kirche zur anderen überwechseln zu lassen; sie zielt also nicht mehr darauf, unter den Orthodoxen Proselyten zu gewinnen. Die Katholische Kirche will vielmehr den geistlichen Bedürfnissen ihrer eigenen Gläubigen entsprechen und hat nicht die Absicht, sich auf Kosten der Orthodoxen Kirche auszudehnen. Damit in Zukunft kein Misstrauen und kein Verdacht mehr aufkommen können, ist es unter dieser Rücksicht notwendig, sich gegenseitig über die verschiedenen Seelsorgsprojekte zu informieren, damit sich zwischen den Bischöfen und allen Verantwortlichen unserer Kirchen Zusammenarbeit anbahnen und entwickeln kann.

23. Die Geschichte der Beziehungen zwischen der Orthodoxen Kirche und den katholischen Ostkirchen ist geprägt von Verfolgungen und Leiden. Was immer diese Leiden und ihre Ursachen gewesen sind, sie rechtfertigen keinerlei Triumphalismus; niemand kann sich ihrer rühmen oder daraus eine Begründung für Anklagen oder Herabsetzung der anderen Kirche herleiten. Gott allein kennt seine wahren Zeugen. Wie immer die Vergangenheit gewesen ist, man muss sie der Barmherzigkeit Gottes überlassen; und alle Kräfte der Kirchen müssen darauf gerichtet werden, dass die Gegenwart und die Zukunft mehr dem Willen Christi für die Seinen entsprechen.

24. Es ist auch erforderlich – das gilt für beide Seiten –, dass die Bischöfe und alle Verantwortlichen mit größter Sorgfalt die Religionsfreiheit der Gläubigen achten; diese müssen ihre Meinung frei ausdrücken können, d.h. sie müssen befragt werden und sich zu diesem Zweck organisieren können. Die Religionsfreiheit verlangt ja in der Tat, dass die Gläubigen vor allem in Konfliktsituationen ihre Wünsche aussprechen und ohne Druck von außen entscheiden können, ob sie mit der Orthodoxen Kirche oder mit der Katholischen Kirche Gemeinschaft halten wollen. Es wäre eine Verletzung der Religionsfreiheit, wenn man unter dem Deckmantel finanzieller Hilfe die Gläubigen der anderen Kirche anlocken wollte, indem man ihnen z.B. bessere Ausbildungen und andere materielle Vorteile versprechen würde, die ihnen in ihrer eigenen Kirche so nicht geboten werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass jede soziale Hilfe, ja jegliche Aktivität im Sinne der Philanthropie in gemeinsamem Einvernehmen organisiert wird, um neue Verdächtigungen zu vermeiden.

25. Darüber hinaus kann der notwendige Respekt vor der Freiheit der Christenmenschen – sie ist eine der kostbarsten Gaben, die wir in Christus empfangen haben – nicht Anlass sein, ein Seelsorgsprojekt, das auch die Gläubigen anderer Kirchen betrifft, in Gang zu setzen, ohne sich zuvor mit der Leitung dieser Kirchen verständigt zu haben. Es darf nicht nur keinerlei Druck ausgeübt werden, es muss auch klar sein, dass die Hochachtung vor einem von echtem Glauben geleiteten Gewissen für die Verantwortlichen der beiden Kirchen einer der wichtigen Grundsätze ihrer gesamten Seelsorge ist und deshalb ihre Auswirkung für die Praxis auch Gegenstand gemeinsamer Überlegungen sein muss (vgl. Gal 5,13).

26. Deshalb muss zuerst vor Ort zwischen denen, die die Verantwortung für die beiden Kirchen haben, ein offenes Gespräch gesucht und gefördert werden. Die Leiter jeder der betroffenen Gemeinden werden am Ort paritätisch besetzte Kommissionen bilden bzw. solche, die schon existieren, neu aktivieren, um Lösungen für die konkreten Probleme zu finden und sie in Wahrheit und Liebe, Gerechtigkeit und Frieden zu verwirklichen. Wenn man auf örtlicher Ebene zu keinem Einvernehmen gelangt, muss man das Problem den gemischten Kommissionen vortragen, die auf jeweils höherer Ebene gebildet werden.

27. Das gegenseitige Misstrauen würde leichter verschwinden, wenn beide Seiten jegliche Gewaltanwendung seitens eigener Gemeinden gegen Gemeinden einer Schwesterkirche verdammen würden. Wie Papst Johannes Paul II. in seinem Brief vom 31. Mai 1991 gefordert hat, muss man jegliche Gewaltanwendung und jeglichen Druck vermeiden, um die Gewissensfreiheit nicht zu verletzen. So obliegt es den Gemeindeleitern, ihren Gläubigen zu einer vertieften Treue zu ihrer eigenen Kirche und deren Überlieferungen zu verhelfen und sie gleichzeitig dazu anzuleiten, dass sie nicht nur jegliche Gewaltanwendung physischer, verbaler oder moralischer Art vermeiden, sondern darüber hinaus alles, was zur Missachtung der anderen Christen führen könnte und sich so als Behinderung des christlichen Zeugnisses in der Öffentlichkeit überhaupt auswirken würde; denn so würde das Heilswerk Christi selbst, welches ja die Versöhnung ist, verdunkelt.

28. Der Glaube an die sakramentale Wirklichkeit insgesamt fordert Ehrfurcht vor allen liturgischen Feiern der anderen Kirche. Deshalb muss man gänzlich darauf verzichten, sich mit Gewalt eines für den Gottesdienst bestimmten Raumes bemächtigen zu wollen. Vielmehr erfordert die Hochachtung vor der sakramentalen Wirklichkeit, dass man gegebenenfalls den Gottesdienst der anderen Kirchen dadurch ermöglicht, dass man ihnen die eigene Kirche zur Verfügung stellt und sich so einigt, dass im selben Kirchengebäude abwechselnd zu verschiedenen Zeiten Gottesdienst gefeiert werden kann. Die Gesinnung, die uns das Evangelium lehrt, fordert darüber hinaus, dass man sich jeglicher Erklärung oder Kundgebung enthält, die die Konfliktsituation verlängern und dem Dialog schaden könnten. Der heilige Paulus ermahnt uns ja, dass wir uns einander gegenseitig annehmen, wie Christus sich unser angenommen hat, zur Verherrlichung Gottes (Röm 15,7).

29. Die Bischöfe und die Priester sind vor Gott verpflichtet, die Autorität zu achten, die der Heilige Geist den Bischöfen und Priestern der anderen Kirche gegeben hat und müssen sich deshalb hüten, sich in das geistliche Leben der Gläubigen der anderen Kirche einzumischen. Wenn aber Zusammenarbeit für das Wohl der Gläubigen notwendig wird, müssen die Verantwortlichen sich verständigen, indem sie für diese gegenseitige Hilfe klare, allen bekannte Grundsätze aufstellen und entsprechend in Freimut und Offenheit handeln, indem sie die sakramentale Ordnung der anderen Kirchen respektieren.

In diesem Zusammenhang ist es, um jedes Missverständnis zu vermeiden und um Vertrauen zwischen den beiden Kirchen zu schaffen, notwendig, dass die katholischen und die orthodoxen Bischöfe im selben Gebiet sich verständigen, bevor katholischerseits Seelsorgsprojekte verwirklicht werden, welche die Errichtung neuer Seelsorgsstrukturen in Gebieten mit sich bringen, die traditionell zur Jurisdiktion der Orthodoxen Kirche gehören; nur so lassen sich parallele Seelsorgsaktivitäten vermeiden, die sehr schnell zu Konkurrenz oder gar zu Konflikten führen könnten.

30. Um zukünftige Beziehungen zwischen den beiden Kirchen vorzubereiten, die nicht mehr von einer überholten Ekklesiologie der Rückkehr zur Katholischen Kirche geprägt sind, welche ja mit dem hier behandelten Problem engstens verknüpft war, wird man der Ausbildung der zukünftigen Priester und all derer besondere Aufmerksamkeit schenken, die in irgendeiner Weise an der Seelsorgstätigkeit beteiligt sind, welche dort ausgeübt wird, wo die andere Kirche traditionell verwurzelt ist. Man muss ihnen auf objektive Weise ein positives Bild der anderen Kirche vermitteln; alle müssen zuerst davon in Kenntnis gesetzt werden, dass die andere Kirche die apostolische Sukzession besitzt und ein echtes sakramentales Leben. Außerdem muss man allen eine unvoreingenommene und umfassende Darstellung der Geschichte bieten, indem man eine miteinander abgesprochene oder sogar gemeinsame Geschichtsschreibung der beiden Kirchen anstrebt. So wird man zur Zerstreuung von Vorurteilen beitragen und eine polemische Verwendung der Geschichte vermeiden. Eine solche Darstellung wird erkennen lassen, dass das Unrecht der Trennung nicht nur auf einer Seite bestand und dass es auf beiden Seiten tiefe Wunden geschlagen hat.

31. Man wird sich an die Mahnung des Apostels Paulus an die Korinther (1 Kor 6,1-7) erinnern, der den Christen empfiehlt, ihre Streitigkeiten mit Hilfe eines brüderlichen Gesprächs untereinander auszutragen; so wird man es vermeiden, den zivilen Behörden die praktische Lösung der Probleme anzuvertrauen, die sich zwischen den Kirchen oder den Dokument der Gemischten Internationalen Kommission / Dialog Römisch-Katholische – Ortsgemeinden ergeben. Dies gilt besonders für den Besitz oder die Rückgabe von Kirchengütern. Man darf sich dabei nicht nur auf frühere Verhältnisse stützen oder sich nur auf allgemeine Rechtsgrundsätze berufen, sondern muss auch die örtlichen Gegebenheiten und die Komplexität der Seelsorgsnotwendigkeiten berücksichtigen.

32. Nur in diesem Geist wird man gemeinsam die Neuevangelisierung unserer säkularisierten Welt angehen können. Dabei wird man sich bemühen, den Massenmedien, besonders der kirchlichen Presse, objektive Informationen zukommen zu lassen, damit ungenaue oder tendenziöse Nachrichten vermieden werden.

33. Die Kirchen müssen gemeinsam ihre Anerkennung und ihre Hochachtung für alle die zum Ausdruck bringen, die, seien sie bekannt oder unbekannt, Bischöfe, Priester oder Gläubige, Orthodoxe oder östliche oder lateinische Katholiken, gelitten, ihren Glauben bekannt und ihre Treue zur Kirche bezeugt haben, ja ganz allgemein für alle Christen ohne Unterschied, die Verfolgung erlitten haben. Ihre Leiden rufen uns zur Einheit auf und dazu, unsererseits ein gemeinsames Zeugnis zu geben, um dem Gebet Christi, „dass alle eins seien, damit die Welt glaube“ (Joh 17,21), zu entsprechen.

34. Die Gemeinsame Internationale Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche empfiehlt auf ihrer Vollversammlung in Balamand nachdrücklich, dass diese Regeln für die Praxis von unseren Kirchen verwirklicht werden. Diese Empfehlung gilt auch den katholischen Ostkirchen, die aufgerufen sind, an diesem Dialog teilzunehmen, der in jener Atmosphäre der Gelassenheit fortgesetzt werden muss, die für seinen Fortgang in Richtung auf die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft erforderlich ist.

35. Indem sie für die Zukunft jeden Proselytismus und jeden Expansionswillen der Katholiken zum Schaden der Orthodoxen Kirche ausschließt, hofft die Kommission, das Hindernis beseitigt zu haben, welches einige autokephale Kirchen veranlasst hat, dem theologischen Dialog fernzubleiben. Sie hofft und wünscht, dass die Orthodoxe Kirche sich wieder zusammenfindet, um die theologische Arbeit fortzuführen, die so glücklich begonnen hat.

Der Uniatismus – eine überholte Unionsmethode – und die derzeitige Suche nach der vollen Gemeinschaft