Bilateral Dialogues: Rome 1995
John Paul II – Bartholomaios

EN FR DE GR
IT RO RU SR

Gemeinsame Erklärung von Papst Johannes Paul II. und dem Patriarchen Bartholomaios I.

29. Juni 1995

„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel" (Eph 1,3).

1. Wir sagen Gott Dank auch für diese unsere brüderliche Begegnung, verwirklicht in seinem Namen und mit der demütigen und überzeugten Absicht, seinem Willen zu gehorchen, damit seine Jünger eins seien (vgl. Joh 17,21).

Diese unsere Begegnung ist zu Stande gekommen in der Wegrichtung der anderen großen Ereignisse, die unsere Kirchen ihren Willen bekunden ließen, die alten Exkommunikationen in die Vergessenheit zu verweisen und sich auf den Weg zu machen zur Wiederherstellung der vollen Einheit. Unsere verehrten Vorgänger Athenagoras I. und Paul VI. sind als Pilger nach Jerusalem aufgebrochen, um sich im Namen des Herrn ebendort zu begegnen, wo der Herr mit seinem Tod und seiner Auferstehung den Menschen die Vergebung und das Heil gebracht hat. In der Folge haben ihre Treffen im Phanar und in Rom diese neue Tradition der brüderlichen Besuche eröffnet, um den wahren Dialog der Liebe und der Wahrheit zu fördern. Diese wechselseitigen Besuche wurden während der Amtszeit des Patriarchen Dimitrios weitergeführt, als unter anderem auch der theologische Dialog für eröffnet erklärt wurde. Die wiedergefundene Brüderlichkeit im Namen des einen Herrn hat uns zu einer unbefangenen Diskussion gebracht, zum Dialog, der das Verständnis und die Einheit sucht.

2. Dieser Dialog hat sich durch die Gemischte Internationale Kommission als ergiebig erwiesen und konnte grundsätzlich Fortschritte machen. Es ergab sich daraus eine gemeinsame sakramentale Konzeption der Kirche, durch die Zeit hindurch getragen und überliefert auf Grund der apostolischen Sukzession. In unseren Kirchen ist die apostolische Sukzession grundlegend für die Heiligung und die Einheit des Volkes Gottes. In Anbetracht dessen, dass in jeder Ortskirche sich das Geheimnis der göttlichen Liebe realisiert und dass auf diese Weise die Kirche Christi ihre wirksame Gegenwart in jeder von ihnen ausdrückt, konnte die Gemischte Kommission erklären, dass unsere Kirchen sich als Schwesterkirchen wiedererkennen, gemeinsam verantwortlich für die Bewahrung der einen Kirche Gottes in der Treue zum göttlichen Plan, in ganz besonderer Weise hinsichtlich der Einheit. Von ganzem Herzen sagen wir dem Herrn der Kirche Dank, weil er durch diese gemeinsam abgegebenen Bestätigungen nicht nur den Fortschritt zur Lösung der bestehenden Schwierigkeiten beschleunigt, sondern Katholiken und Orthodoxe von nun an auch fähig macht, ein gemeinsames Glaubensbekenntnis abzugeben.

3. Das ist ein besonders passender Zeitpunkt am Vorabend des dritten Jahrtausends, an dem zweitausend Jahre nach der Geburt Christi alle Christen sich anschicken, eine Gewissensprüfung darüber zu halten, wie Seine Heilsankündigung in der Geschichte und unter den Menschen verlaufen ist. Wir wollen dieses große Jubiläum feiern, während wir auf der Pilgerschaft zur vollen Einheit sind und zu jenem gesegneten Tage, von dem wir erbitten, dass er nicht fern sei: der Tag, an dem wir in der einen Eucharistie des Herrn am selben Brot und am selben Kelch teilnehmen können.

Wir laden unsere Gläubigen ein, diese Pilgerschaft zum Jubiläum im Geiste gemeinsam zu machen. Die Reflexion, das Gebet, der Dialog, die gegenseitige Vergebung und die gegenseitige brüderliche Liebe werden uns dem Herrn noch näherbringen und uns helfen, seinen Willen für die Kirche und die Menschheit besser zu verstehen.

4. Unter diesem Gesichtspunkt ermutigen wir unsere Gläubigen, Katholiken und Orthodoxe, den Geist der Brüderlichkeit zu stärken, der aus der Taufe und der Teilnahme am sakramentalen Leben hervorgeht. Im Laufe der Geschichte und der jüngsten Vergangenheit hat es gegenseitige Beleidigungen und Übergriffe gegeben. Da wir uns nun bereit machen, in dieser Lage vom Herrn seine große Barmherzigkeit zu erbitten, laden wir alle ein, sich gegenseitig zu vergeben und den festen Willen zu bekunden, eine neue Beziehung der Brüderlichkeit und der praktischen Zusammenarbeit herzustellen.

Ein solcher Geist sollte Katholiken und Orthodoxe, vor allem dort, wo sie Seite an Seite zusammenleben, zu einer noch intensiveren Zusammenarbeit im kulturellen, geistlichen, pastoralen, erzieherischen und sozialen Bereich ermutigen, und dabei soll jede Versuchung zu ungebührlichem Eifer für die eigene Gemeinschaft, der zu Lasten der anderen ginge, vermieden werden. Immer möge das Wohl der Kirche Christi den Ausschlag geben! Die gegenseitige Unterstützung und der Austausch der Gaben kann die Pastoralarbeit selbst nur wirksamer und das Zeugnis für das Evangelium, das man verkündigen will, nur transparenter machen.

5. Wir sind der Ansicht, dass eine aktivere und abgestimmte Zusammenarbeit auch den Einfluss der Kirchen für den Frieden und die Gerechtigkeit in den Zonen politisch oder ethnisch begründeter Konflikte fördern kann. Der christliche Glaube hat ungeahnte Lösungsmöglichkeiten für die Spannungen und Feindseligkeiten der Menschheit.

6. Der Papst von Rom und der Ökumenische Patriarch haben bei ihrer Begegnung um die Einheit aller Christen gebetet. Sie haben in ihr Gebet alle eingeschlossen, die als Getaufte in Christus eingegliedert sind, und sie haben für die verschiedenen Gemeinschaften um eine immer tiefergehende Treue zu seinem Evangelium gebetet.

7. Sie tragen die Sorge um die ganze Menschheit in ihrem Herzen, unabhängig von jeder Diskriminierung auf Grund von Rasse, Farbe, Sprache, Ideologie und Religion.

Darum regen sie den Dialog an, nicht nur zwischen den christlichen Kirchen, sondern auch mit den verschiedenen Religionen, vor allem den monotheistischen.

Das alles bildet ohne Zweifel einen Beitrag und eine Voraussetzung für die Festigung des Friedens in der Welt, um den unsere Kirchen unablässig beten. In diesem Gebet erklären wir ohne Zögern, dass wir für die Einheit unter den Völkern und für ihre Zusammenarbeit einstehen, besonders in dem, was uns unmittelbar betrifft, und wir beten um die unverzügliche volle Verwirklichung der Europäischen Union und wünschen dabei, ihre Grenzen mögen noch weiter nach Osten ausgedehnt werden.

Zu gleicher Zeit richten wir einen Appell an alle, sich mit größter Aufmerksamkeit für das brennende ökologische Problem einzusetzen, um die große Gefahr zu bannen, die heute auf Grund des Missbrauchs der Ressourcen, die ein Geschenk Gottes sind, die Welt durchzieht.

Möge der Herr die Wunden heilen, die heute die Menschheit plagen, und unsere Gebete und die unserer Gläubigen um den Frieden in den Kirchen und in der ganzen Welt erhören.

John Paul II – Bartholomaios